Tagesstrukturierende Angebote
„Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“
Herrmann Hesse
Wer bei uns einen festen Wochenplan erwartet, der wird enttäuscht sein und hat die Grundidee unserer Arbeit nicht verstanden. Menschen in feste Schemata zu pressen und ihnen standardisierte Angebote überzustülpen ist uns zuwider und halten wir im Übrigen auch nicht für zielführend.
Es ist uns wichtig gemeinsam mit unseren Kunden individuelle Wochenpläne zu erarbeiten und zu leben. Das pädagogische Konzept „werde selbständig“ verbunden mit dem wohldurchdachten fremd strukturierten Rahmen ist nach unserer Erfahrung ein Widerspruch in sich selbst.
Es ist uns wichtig, dass unsere Kunden zunächst ankommen und wohnen dürfen, dass sie Vertrauen und Adherance aufbauen können. Man darf bei uns auch ausdrücklich gar nichts tun.
Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass unsere Kunden recht bald von sich aus das Gespräch darüber suchen, was sie erreichen wollen und uns Gelegenheit geben mit ihnen zu verhandeln, wie diese Ziele zu erreichen sind. Zu diesem Zeitpunkt entwickelt sich in der Arbeit mit den Bezugspersonen die dazu erforderliche Tagesstruktur. Unser Zugang zur strukturierten Arbeit erfolgt also über das von den Kunden benannte und von uns ernst genommene Ziel.
Die bedeutsamste und wertvollste Aktivität als Bestandteil der Tagesabläufe ist und bleibt die Beziehung, die aufmerksame zwischenmenschliche Begegnung. Gelingende Beziehungen zwischen unseren Kunden und ihren Bezugspersonen sehen und erleben wir immer wieder als Fundament einer positiven Entwicklung und des sich wohl und gut aufgehoben Fühlens.
Wir begreifen den Beziehungsprozess in Anlehnung an Kistner als Grundlage für einen erfolgreichen Problemlösungsprozess.
Gerade bei psychisch kranken Menschen liegen in der Regel erhebliche Beeinträchtigungen der Beziehungsfähigkeit vor. Insbesondere Eigenschaften wie Selbstwertgefühl, Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit, Achtsamkeit, Vertrauen und viele weitere müssen mitunter umfassend erarbeitet werden. Wie wichtig der Beziehungsaspekt für gelingende Problemlösungen ist, wissen wir aus der Forschung.
Um die notwendige Nachhaltigkeit zu sichern, bieten wir unseren Kunden langfristige Beziehungskontinuität mit gleich bleibenden persönlichen Bezugspersonen an, die unsere Kunden zum Teil von der beschützten Unterbringung bis hin zum ambulant betreuten Wohnen begleiten. Es ist schwer genug sich fremden Menschen zu öffnen, umso wichtiger ist uns die Konstanz der Bezugspersonen.
Wichtig ist uns dennoch der Hinweis, dass auch das aktuelle Konzept keine statische Größe sein kann und wird, sondern stetige Entwicklung und Anpassung im Interesse unserer Kunden erarbeitet werden muss. Wir sind absolut überzeugt davon, dass nicht der Kunde sich der Einrichtung anpassen muss, sondern die Einrichtung die Hilfebedarfe der Kunden erkennen und sich entsprechend aufstellen muss.
Unsere Teams bieten an sieben Tagen in der Woche regelhafte, strukturierende und unterstützende Einzel- und Gruppenangebote. Auch unser „Kreativteam“, das in diesen Arbeiten seinen Arbeitsschwerpunkt hat, steht unseren Kunden an sieben Tagen in der Woche ganztägig zur Verfügung und passt seine Angebote immer wieder den Bedarfen an.
Die Mitarbeiter unseres Kreativteams sind Sinnbild der gebotenen und erlebbaren Beziehungskontinuität, begleiten sie doch unsere Kunden von der beschützten Unterbringung über den offenen Wohnbereich bis hin ins ambulant betreute Wohnen.
Unsere eigentliche Aufgabe sehen wir in der Orientierung am expliziten Kundenauftrag. Dieser ist keine statische Größe, sodass wir unsere Angebote in Absprache mit unseren Kunden immer wieder anpassen müssen.
Letztlich geht es in der Regel um Zukunftsorientierung. Platt gesagt heißt der große übergeordnete Auftrag immer wieder „helft mir, dass ich schnell selbständig leben kann und keine Einrichtung mehr brauche“.
Oftmals gehen die Selbsteinschätzung unserer Kunden und die Fremdwahrnehmung zum Beispiel durch uns bezüglich der Bewertung der eigenen Situation, der Probleme und Ressourcen nicht überein und es erfordert die innere Bereitschaft aller Beteiligten immer mal wieder umzudenken, damit Ziele sinnvoll und für die Kunden zufriedenstellend gesetzt und tatsächlich erreicht werden können.
Tatsächlich erweist es sich als zielführend, auch vermeintlich unmöglich anmutende Ziele ernsthaft zu verfolgen, um so in Hesses Sinne das Mögliche zu erreichen.
Das Herzstück unserer stationären Arbeit sind natürlich die tagesstrukturierenden und unterstützenden sozialen Angebote, die sich nicht zuletzt mit unserer Konzeptumstellung in 2016 nochmals verändert und spezifiziert haben.
Wir arbeiten mit unseren Kunden intensiv daran, das Selbstwertgefühl zu stärken, hierzu gehört neben Respekt, Wertschätzung und Ernsthaftigkeit auch das gezielte Training der individuellen Belastbarkeit möglichst ohne Überforderungen. Das bedeutet im Alltag große Anforderungen an unsere Kunden und uns selbst, denn viele unserer Kunden neigen dazu, sich zu überschätzen und sich zu schnell zu viel zuzumuten und sich dadurch in die nächste Krise zu stürzen. Hier geht es um das notwendige Verhandeln von Grenzen und Schutz.
Psychoedukation - Angebote
Sozialtraining
Dieses Angebot richtet sich an Menschen mit starken Stimmungsschwankungen und hilft in den Bereichen „Stresstoleranz“, „Umgang mit den eigenen Gefühlen“, „zwischenmenschliche Fertigkeiten“, „Selbstwertgefühl“ und „Achtsamkeit“.
Das Angebot wird individuell auf die jeweiligen Teilnehmer zugeschnitten und hilft bei der Vorbereitung der Verselbständigung
Soziales Kompetenztraining
Dieses Angebot bietet ein gezieltes Training zur Steigerung der alltäglichen, sozialen Kompetenzen. Trainiert werden vor allem die Lebensbereiche „seine Rechte durchsetzen, seine Pflichten erfüllen“, „Wünsche und Bedürfnisse äußern“, „um Sympathien werben“ und „Versuchungen widerstehen“. Die Gruppe beschäftigt sich mit elementaren Lebensfeldern, bietet aber auch Platz zum gemeinsamen Lachen.
Die Gruppenrunden
Die Gruppenrunden bieten ein Plenum für den kommunikativen Kern der Wohnbereiche. Sie tragen der Erkenntnis Rechnung, dass nicht die Mitarbeiter alleine das Milieu im Alltag herstellen (können).
Die Gruppen richten sich an Kunden, die fähig und willens sind, Probleme und Möglichkeiten zu benennen und sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Gewünscht ist die aktive Einflussnahme der Gruppe auf das Miteinander im Wohnbereich. Es geht um soziale und auch moralische Kompetenz. Auch diese Gruppe ist eine wichtige Vorbereitung auf die Verselbständigung.
Medikamententraining
Hierbei handelt es sich um ein mehrstufiges Einzelangebot. Es dient den Kunden zum Training eines selbständigen und verantwortungsvollen Umgangs mit den ärztlich verordneten Medikamenten. Das Training folgt dem Ansatz, dass man eine psychische Erkrankung nur beherrschen kann, wenn man sie verstanden und akzeptiert hat.
Auch Wirkungen und Nebenwirkungen werden besprochen und sinnvolle Handlungsweisen erarbeitet. Gerade im Vorfeld einer bevorstehenden Verselbständigung ist dieses Angebot unverzichtbar.
Leitung
Alle Kunden (ambulant wie stationär) haben jede Woche Gelegenheit zu einem Gesprächstermin mit der konzeptionellen Leitung. Unter Beteiligung der Bezugsperson bieten diese Gespräche die Möglichkeit zum Reflektieren und Benennen von Befindlichkeit und Anliegen, zum Hinterfragen der Perspektive und zum gemeinsamen Besprechen eventueller Probleme.
Fachärztliche Visiten
Zwei Mal pro Quartal besteht für alle Kunden die Möglichkeit zur fachärztlichen Visite im Haus. Dessen ungeachtet besteht bei aktuellen psychiatrischen (und auch sonstigen) medizinischen Anliegen jederzeit die kurzfristige Möglichkeit einen Termin in der Praxis zu bekommen. Die freie Arztwahl ist unseren Kunden natürlich unbenommen.
Bei Bedarf unterstützen wir und auch der Facharzt unsere Kunden darüber hinaus bei der Aufnahme einer begleitenden ambulanten Psychotherapie.